Tom Tin und die Insel der Kopfjäger
Iain Lawrence steigert in seinem zweiten Band über Tom Tins abenteuerliches Leben die Spannung bis zum Zerreißen. mehr >>
Verlag Freies Geistesleben
Iain Lawrence steigert in seinem zweiten Band über Tom Tins abenteuerliches Leben die Spannung bis zum Zerreißen. Denn in der exotischen Inselwelt, die den Sträflingen als wunderbare Zuflucht erschien, lauert das Grauen …
Nach einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch ist Tom Tin wieder auf einem Sträflingsschiff, das ihn nach Australien bringen soll. Doch diese heruntergekommene Brigg, ein ehemaliges Sklavenschiff, hat einen Kapitän wider Willen: Redman Tin, Toms Vater.
Und das bedeutet, dass die Chancen für den Plan, den Tom mit seinem Freund Midge geschmiedet hat, nicht schlecht stehen. Sie wollen sich auf einem Langboot in die Inselwelt Neuguineas absetzen. Aber dort erwartet sie nicht nur der dichte Dschungel mit seinen grausigen Gefahren, sondern auch dessen Bewohner: Kopfjäger, Kannibalen und Piraten. Und – ein geflohener Sträfling. Ist der nur skurril oder tödlich gefährlich? Der Fluch des Jolly-Diamanten, den Tom Tin einst in London in Besitz hatte, zeigt sich erst jetzt in seinem vollen Ausmaß. ...
»Hiiiii-ja, uhmp! Hiiiii-ja, uhmp!«, sangen die Ruderer. Die beiden ersten Töne klangen hoch und schrill, während der letzte wie ein tiefes Stöhnen war, das durch einen Nebel zittert. Jedem Dreiton folgte das rollende Donnern, mit dem die Paddel auf den Rumpf des Kanus trafen. Das Kanu nahm in der Dunkelheit Gestalt an. Es sah aus wie ein schwarzes Ungeheuer, das seinen Kopf hochgeworfen hatte und auf hundert Beinen lief. Ich bezweifelte, dass jemals ein größeres Kanu gebaut worden war. Und dann sahen wir es im Mondlicht noch deutlicher vor uns. Der Bug war höher als drei Männer, die übereinander stehen. Auf seiner Spitze saß ein hölzerner Vogel, der seine Schwingen ausgebreitet hatte und durch die Sterne zu fliegen schien. Die Paddler hauchten dem Ungeheuer mit ihren Paddelschlägen und –schüben Leben ein. Wie ein Mann beugten sie sich nach vorn und wie ein Mann lehnten sie sich wieder zurück, während sie immer wieder diese drei Töne sangen: «Hiiiii-ja, uhmp!» Über ihnen erhob sich eine Plattform aus Schilfrohr, auf der die Krieger saßen, von denen jeder eine Haube aus Federn trug. Das Heck war noch höher als der Bug, eine sich wiegende Masse aus Wedeln und Federn. «Heilige Maria, Mutter Gottes», flüsterte Mr. Mullock. »Bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Tods.« Ich glaubte, dies sei die Stunde unseres Todes. Wenn das Kanu einen Bogen fuhr oder wenn nur ein einziger Paddler zur Seite schaute, dann war es aus mit uns. Das Wasser stand schon sechs Zoll hoch im Boot ...